Futtermittelbestandteile und ihre Aufgaben im Tierkörper
Mit der Nahrung nehmen Tauben sowohl organische Inhaltsstoffe (Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine) auf als auch anorganische (Mineralstoffe, Wasser) auf. Beide Komponenten benötigen sie im Stoffwechsel sowohl für ihre Lebensvorgänge als auch besonderen Leistungen (Ei-, Spermienbildung, Kropfmilcherzeugung, Wachstum, Federbildung, Fliegen). Das lebensnotwendige Wasser erhalten sie in geringem Maße über dessen Anteil im Futter, größtenteils nehmen sie es beim Trinken auf. Der Tierkörper besteht grundsätzlich aus den gleichen Stoffgruppen wie die Futtermittel. Bei Tauben als Körnerfressern überwiegen in der Nahrung die Kohlenhydrate. Dann folgen Eiweiße, Fette und Mineralstoffe. Dagegen gibt es im Organismus die Rangfolge Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralstoffe.
1. Eiweiße (Proteine, Proteide)
Nach seiner nährstoffmäßigen Zusammensetzung enthält der Taubenkörper als Haupt- und Synthesebestandteil etwa 65 % Eiweiße (EW), die sich durch keinen anderen Nährstoff ersetzen lassen. Chemisch bestehen EW außer gebundenem Wasser aus ca. 50 % Kohlenstoff (C), 16 % Stickstoff (N), 7 % Wasserstoff (H), 2 % Schwefel (S), z. T. auch aus Phosphor (P) und Spuren von Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Jod (J9, S als Baustein der Aminosäuren Methionin und Cystein/Cystin, verschiedene auch aus P und/oder Spurenelementen. Als Energielieferanten spielen EW nur eine geringe Rolle. EW können Verbindungen mit anderen Stoffgruppen (z. B. Fettem Kohlenhydrate, Glyco-, Lipo-, Nucleoproteine, Nukleinsäuren) eingehen.
Aminosäuren. Die EW setzen sich aus über 20 verschiedenen Aminosäuren (AS) als EW-Bausteinen zusammen. Die aus mindestens je einer Amino- und Säuregruppe bestehende AS benötigt der Körper zum einen für die Erhaltung seiner Substanz, zum anderen für seine besonderen Leistungen. Als Bestandteile von Enzymen, Hormonen und Immunkörpern erfüllen AS wichtige Aufgaben im Organismus. Alle Prozesse von lebenden Zellen (z. B. Stoffwechsel, Energieerzeugung, Vermehrung) verbinden sich mit AS. Ernährungsphysiologisch lassen sich AS so einteilen: 10 essentielle unentbehrliche AS (Arginin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Theronin, Tryptophan, Valin), 3 halbessentielle AS (Cystin, Cystein, Tyrosin) und 7 nichtessentielle AS (Alanin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Glycin, Hydroxyprolin, Prolin, Serin). Die essentiellen AS kann der Körper nicht selbst erzeugen, er muss sie mit der Nahrung erhalten. Von den 10 unentbehrlichen AS besitzen Lysin, die schwefelhaltigen , Methionin und Cystin, z. T. auch Theronin, Tryptophan und Arginin besondere Bedeutung, zum einen, weil sie die EW-Synthese begrenzen, zum anderen, weil die pflanzlichen Futtermittel nicht ausreichend davon enthalten. Die 3 halbessentiellen AS können essentielle AS teilweise ersetzen. Ihr Fehlen wirkt sich bei ausreichend vorhandenen essentiellen AS nicht aus. In freier Form gibt es die AS nicht nur im Tierkörper, sondern auch in Futtermitteln. Bestimmte essentielle AS (z. B. Lysin, Methionin) lassen sich auch synthetisch herstellen. Anzahl und Mengenverhältnis der essentiellen AS untereinander bestimmen die Qualität von Futtermittel-EW und damit deren sog. biologische Wertigkeit. EW gelten um so hochwertiger, je ausgeglichener sie essentielle AS enthalten, d. h. je besser sie im Stoffwechsel verloren gegangene EW zu ersetzen und körpereigene EW zu bilden vermögen. Von den pflanzlichen EW-Trägern besitzen Hefe und Sojabohnen die für Tauben höchste, Getreide- und Leguminosensamen jedoch nur mittlere biologische Wertigkeit.
Die EW lassen sich in Proteine, Proteide und Nichtproteinstickstoff(NPN)verbindungen einteilen. Zu den Proteinen gehören z. B. die ernährungsphysiologisch besonders wertvollen, nahezu in allen pflanzlichen und tierischen Zellen vorkommenden Albumine und Globuline sowie die unlöslichen Faserproteine (Kollagen als Bindegewebsanteil, Keratin der Federn). Proteide umfassen die Chromoproteide (z. B. Chlorophyll, Hämo-, Myglobin, Zytochrome), Glycoproeide (z. B. Blutgerinnungsstoff Heparin, in Binde-, Schutz, und Stützgeweben), Lipoproteide (z. B. Blutplasma, Eidotter, Zellmembranen, Mitochondrien), Nucleoproteide (z. B. Nucleinsäuren enthaltende Enzyme). Die pflanzlichen Futtermittel enthalten neben den eigentlichen EW auch NPN-Verbindungen. Hierzu gehören vor allem freie AS, Alkaloide, Amide Ammoniumsalze, Betain, Cholin, Harnsäure, Keratin, Keratinin, Nitrate, Purine. Davon können Tauben nur die freien AS und deren Amide verwerten.
Verdauungsprozesse schließen die mit der Nahrung aufgenommenen EW in AS auf. Der Darm resorbiert die AS und die Zellen des Organismus wandeln sie in körpereigenes EW um. Die den Zellstoffwechsel und die besonderen Leistungen übersteigenden EW-Mengen verbraucht der Körper oder wandelt sie zu Depots gespeichertem Fett um. EW besitzen als Brennstoff einen energetischen Wert von 17,1 kJ (5,3 kcal)/g, als Baustoff von 23 kJ/g. Tauben gelten als gute Proteinverwerter. Sie verdauen EW besser als z. B. Hühner. Als am schnellsten sich entwickelnde Wirbeltiere benötigen sie im Wachstumsalter ausreichend Nahrungs-EW. Die Kropfmilch als spezielles Nestjungenfutter besteht aus etwa 10 % Rohprotein.
Die Taubennahrung soll weder einen Überschuss an EW noch einen Defizit an essentiellen AS aufweisen. Die verschiedenen Futtermittel enthalten unterschiedliche EW-Mengen: Getreidearten 9 bis 14, Ölsaaten 14 bis 23, Leguminosen 25 bis 40 Extraktionsschrote um 40, Futtertrockenhefe 46 bis 48, Tierkörper- und Fischmehl bis 62 % Rohprotein.
Die wenigsten Taubenliebhaber wissen, dass beim Stoffwechselablauf Ammoniak (NH3) entsteht. Ein Ammoniakmolekül besteht aus einem Atom Stickstoff (N) und drei Atomen (H). Nur Eiweiß besitzt das Element Stickstoff, und zwar zu etwa 16 %. Durch den Stickstoff unterscheidet sich Eiweiß von den beiden weiteren Nährstoffen Kohlenhydrate und Fette. Bei den Eiweißbausteinen (Aminosäuren) bindet sich Stickstoff immer zusammen mit Wasserstoff als NH2-Gruppe (auch Aminogruppe genannt).
Eiweiß und seine einzelnen Aminosäuren sind im Körper nicht speicherbar. Erhält der Körper mehr verwertbares Eiweiß mit der Nahrung als er benötigt, muss er die Aminogruppen von den Aminosäuren unter hohem Energieverbrauch abspalten. Die dabei entstehenden, im Energie-Stoffwechsel beteiligten Ketosäuren sind Bestandteil vom Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Die freigesetzten Aminogruppen baut der Körper über Purinbasen zur Harnsäure ab und scheidet sie aus. zur Bildung von Purinbasen benötigt der Organismus Kohlenmonoxid (CO).
Beim Fliegen "verbrennt" durch die starke Muskeltätigkeit der Kohlenstoff (C) vollkommen, wobei fast nur Kohlendioxid (CO2) entsteht. Mit Kohlendioxid können sich Purinbasen und damit Harnsäure nicht bilden. Die freien Aminogruppen verbinden sich mit einem weiteren Wasserstoff-Atom zu Ammoniak (NH2 + H = NH3). Besonders viel Ammoniak entsteht, wenn sich beim Fliegen zur Energiebedarfsdeckung Körpereiweiß umwandelt und "verbrennt". Dies geschieht vor allem dann, wenn bei zu eiweißreicher Ernährung sich zu wenig Fettsäuren und Kohlenhydrate im Taubenkörper speichern, dieser somit die letzten Energien aus dem Körpereiweiß mobilisieren muss. Dabei entstehen viele freie Aminogruppen, die erhöhte Ammoniakbildung bewirken. Eine energiereiche Ernährung in der Flugsaison bildet die wichtigste Voraussetzung, um starke Ammoniakbildung zu vermeiden. Nach Versuchsergebnissen an Sportstudenten der Universität für Körperkultur Budapest (Ungarn) beeinträchtigt das Stoffwechselgift Ammoniak besonders die Funktion des Nervensystems. Eine verminderte Ammoniakbildung lässt sich beim Menschen mit Gaben von Arginin-Malat bewirken. Versuche sollen klären, ob dies auch für Brieftauben zutrifft.
2. Kohlenhydrate
Das Taubenfutter enthält die Kohlenhydrate (KH) als höchsten Anteil, der Tierkörper mit 1 bis 2 % als geringsten, obwohl KH für ihn die wichtigste Energiequelle darstellen. Der energetische Wert von KH beträgt das 2,3-fache von Eiweiß. Pflanzen bauen KH mit der Photosynthese auf und speichern sie besonders in ihren Fruchtkörpern (Samen, Knollen, Wurzeln).
KH lassen sich je nach Molekülgröße in Mono-, Oligo- und Polysaccharide unterteilen. Monosaccharide (Einfachzucker) als nicht weiter spaltbare KH bilden je nach Sauerstoffanzahl Triosne, Tetrosen, Pentosen, Hexosen usf. Die Monosaccharide als Grundbausteine alles KH kommen in freier Form als Pentosen und Hexosen vor allem in Gräsern und Mais vor. Aus 2 bis 10 miteinander verknüpften Monosaccharidmolekülen entstehen die Oligosaccharide als Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexasccharide usf. Alle Mono- und Oligosaccharide stellen kristalline, wasserlösliche, süß-, seltener bitterschmeckende Verbindungen dar. Polysaccharide bilden sich aus zehn bis mehreren tausend Monosaccharidemolekülen. Als form-, farb-, geruch-, und geschmacklose, allenfalls kolloidal lösliche Verbindungen unterscheiden sie sich sowohl hinsichtlich beteiligter Grundbausteine als auch chemischer und Physikalischer Eigenschaften voneinander. Zu ihnen gehören die Gerüst-KH Cellulose, Hemicellulosen und Chitin sowie die Reserve-KH Glykogen und Lichenin. Durch Enzyme und Erhitzen lassen sich Oligo- und Polysaccharide in Monosaccharie spalten.
Glucose (Traubenzucker) als wichtigstes Monosaccharid kommt im Blut und damit in allen Zellen von Tauben vor. Die Bluttraubenzuckerkonzentration beträgt 5 mmol je l (90 mg%) und bleibt innerhalb enger Grenzen konstant. Das aus Glucosemolekülen aufgebaute Glycogen ("tierische Stärke" enthält die Leber zu etwa 10% als einziges gespeichertes Polysaccharid. Ferner befindet es sich zu 0,5 bis 1 % auch in der Muskulatur (Muskelglycogen). Biochemische Prozesse verwandeln im Stoffwechsel die aufgenommenen KH schließlich in Glucose. Als Blutglucose gelangt sie über den Kreislauf in alle Zellen. Dort liefert sie die Energie sowohl für den Wärmehaushalt als auch die sonstigen Körperleistungen. Im Zellstoffwechsel "verbrennt" Glucose zu den über die Lungen bzw. Nieren ausgeschiedenen Stoffwechselprodukten Kohlendioxid und Wasser. Überschüssige Glucose speichert die Leber als Glycogen, sozusagen als ständig verfügbares Glucosedepot.
3. Fette (Lipide)
Zu dieser Nährstoffgruppe gehören sowohl Fettsäureverbindungen als auch Fettbegleitstoffe (Tab. 12/2). Fette stellen feste bis flüssige, vorwiegend aus Gemischen von Fettsäureglyceriden (Ester von Glycerol mit Fettsäuren). bestehende Verbindungen dar. Als Naturfette kommen sie sowohl in tierischen als auch pflanzlichen Zellen vor, letztere besonders in den Samen oder dem Fruchtfleisch von Ölpflanzen. Natürliche Fette besitzen neben den Fettsäureglyceriden auch fettähnliche Substanzen, die Lipoide genannten Begleitstoffe (z. B. ätherische Öle, Carotinoide, Phosphatide, Sterine, Vitamine, Wachse). Glyceride und Lipoide bilden die Lipide. Nach den chemischen Elementen bestehen Fette ebenso wie Kohlenhydrate aus C, H und O, enthalten jedoch mehr C und H als letztere. Fette weisen einen hohen Energiegehalt auf. Die Verbrennungswärme beträgt 38,9 kJ (9,5 kcal/g), bei Eiweißen dagegen nur 17,1 kJ (5,3 kcal/g). Neben Kohlenhydraten stellen Fette die wichtigsten Energielieferanten dar, Ihr Energiegehalt liegt aber 2,3-fach höher als bei Kohlenhydraten. Nach ihrer Herkunft und Zusammensetzung lassen sich pflanzliche und tierische Fette unterscheiden. Erstere weisen einen höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf, letzte an gesättigten. Essentielle Fettsäuren müssen Tauben über das Futter erhalten, weil sie unentbehrliche Bestandteile von Zellstrukturen und -enzymen darstellen, die Schlüsselfunktionen im Fettstoffwechsel (Resorption, Transport gesättigter Fettsäuren) besitzen. Fette können durch einwirkende Luft und Wasser verderben (Ranzigkeit). Hierbei bilden sich aus den freien Fettsäuren Peroxide, die als starke Oxydationsmittel die oxydationsempfindlichen Vitamine A, C, E und B6 zerstören.
Tauben enthalten Fette sowohl in den Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe( als auch in den Zellen. Sie benötigen Fette für die Erzeugung von Körperwärme (Energie), Brief- und andere Flugsporttauben als Hauptenergiequelle für ausdauerndes Fliegen, darüber hinaus als Wärmeschutz, als Träger fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K) sowie Essentieller Fettsäuren (Linol-, Linolensäure) und als Ersatz für verbrauchtes Speicherfett. Die besondere Bedeutung dieses Nährstoffes liegt in den Funktionen vom hormonell regulierten Fettstoffwechsel (Bau-, Speicherfett) des Organismus, denn es speichert Nahrungsbestandteile als Triglyceride und stellt sie bedarfsgerecht als unveresterte Fettsäuren dem Stoffwechsel jederzeit zur Verfügung.
Das Fettgewebe vermag Fettsäuren und Triglyceride aufzunehmen und dem Stoffwechsel zuzuführen. Am Fettaufbau beteiligen sich neben gesättigten auch einfach ungesättigte Fettsäuren. Soweit der Organismus Fette nicht zur Energieerzeugung verwendet, lagert er sie in den Speichern ab. Organfett bildet einen lebenswichtigen Bestandteil der Zellen. Depotfett benötigen Tauben sowohl als Energie- und Nährstoffreserve als auch für den Wärmeschutz. Fette lassen sich zwar weitgehend, jedoch nicht vollständig durch Kohlenhydrate ersetzen. Ihr Anteil im Futter bildet die Voraussetzung für ungestörtes Wachstum, normale Befiederung, Mauser und sonstige Körperleistungen (Fortpflanzung, Flugvermögen) der Tiere, damit für ihre Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
Fettreiche Futtermittel zeichnen sich durch kleines Nahrungsvolumen, großen Sättigungswert und hohen Energiegehalt aus. Sie begünstigen Wachstum, Mauser, Flugleistung. Züchter verabreichen sie besonders wachsenden und mausernden Tieren, Brief- sowie sonstigen Flugsporttauben vor und nach kräftezehrenden Flügen, Ausstellungstieren für gute Federstrukturen und hohen Gefiederglanz, darüber hinaus an kalten Wintertagen. Auch Nestjunge benötigen fettreiches Futter. Kropfmilch als deren Hauptnahrung in den ersten beiden Lebenswochen enthält 8 bis 13 % Rohfett. Außerhalb der Flug-, Zuchtsaison und Mauser füttert man Tauben relativ fettarm. Für fluguntüchtige oder ständig in Volieren gehaltene Tiere trifft das besonders zu, da sie leicht verfetten und hierdurch oft in der Fortpflanzung Wünsche offen lassen. Verfettung ("Fettsucht") kann bei Täubinen gestörte Eibildung, -ablage und Brut, bei Täubern beeinträchtigten Geschlechtstrieb, Befruchtungs- und Brutstörungen bewirken.