Bewertung von Futtermitteln und Nährstoffbedarfsnormen

Aufnahme, Verdauung und Ansatz lebenswichtiger Nahrungsbestandteile bestimmen den Stoffwechsel. Die im Magen- Darmkanal durch biochemische Prozesse abgebauten `(verdauten) Substanzen gelangen über den Säftestrom des Organismus in die Verbrauchszentren (Organe, Gewebe, Zellen). Die unverdaulichen Substanzen dagegen scheidet der Körper als Stoffwechselendprodukte aus.

Die Verdaulichkeit und damit der energetische Wert von Futtermitteln für Tauben lässt sich nur in besonderen Versuchen mit diesem ermitteln. Grundsätzlich sollen Futtermittel mindestens 80 % organische Substanz und möglichst wenig unverdauliche Stoffe (Rohfaser, anorganische Substanz enthalten. Die Verdaulichkeit der Nahrung nimmt mit steigendem Rohfaser- und Rohaschegehalt ab. Daraus leiten sich unter 10 % in Zucht-, Aufzucht-, Reise-, Mauser- und Diatfuttermischungen ab.

Den spezifischen Wert von Futtermitteln und -mischungen für Tauben bestimmen mehrere Faktoren:

-Gehalt an den essentiellen Nährstoffen, wie verdauliches Roheiweiß, Aminosäuren, Kohlenhydrate, essentielle Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe,

-Rohfaser- und Energieanteil,

-verzehrbestimmende und diätetische Eigenschaften (Nahrungsvolumen, TS-Gehalt, sensorische Merkmale, leisungsmindernde oder sogar gesundheitsschädigende Inhaltsstoffe).

Durch ihre Besonderheiten prägen einerseits als auch, wegen ihres Energiegehaltes, die von Rohfett, essentiellen Fettsäuren und Kohlenhydraten andererseits entscheidend den Futterwert. Zur bedarfsdeckenden und somit leistungsgerechten Ernährung ihrer Tauben benötigen Züchter neben den Bedarfsnormen auch Angaben zum Gehalt von Futtermitteln und Rationen an verdaulichem Rohprotein, an limitierenden Aminosäuren (besonders Lysin, Methionin, Cystin) und der Energiekonzentrationen in kJ (kcal). Die Bedarfsbefriedigung setzt dabei die die Aufnahme der betreffenden Futtermittel in den jeweils je Tier und Tag benötigten Nährstoff- und Energiemengen voraus. Wegen der massenmäßig begrenzten Nahrungsaufnahme müssen Rationen stets den Nährstoff- und Energieanforderungen genügen. Der Nährstoff- und Energiebedarf von Tauben hängt sowohl von deren KM als auch Leistungen ab: Ei-, Spermienbildung, Brüten, Aufzucht der Jungen, Wachstum, Mauser, Fliegen. Der ruhende Organismus benötigt nur die als Grundumsatz bezeichneten Eiweiß- und Energiemengen für die ungestört ablaufenden Lebensfunktionen (z. B. Stoffwechsel, Atmung, Wärmehaushalt, Reizleitung). Der Erhaltungsbedarf dagegen stellt den für mäßige Bewegung benötigten Protein- und Energienanteil dar. Grundumsatz und Erhaltungsbedarf hängen von der Masse und somit Oberfläche des Körpers ab. Für die besonderen Leistungen muss man den Leistungsbedarf zugrunde legen. Die einzelnen Bedarfsnormen lassen sich streng genommen nicht voneinander trennen, weil auch im ruhenden Organismus Aufbauvorgänge (Stoffaustausch, Zellteilung, Neubildung verbrauchter Substanzen) ablaufen. Voraussetzung für hohes Leistungsvermögen von Tauben bildet ihre bedarfsgerechte Versorgung mit den essentiellen Nahrungsbestandteilen.

1. Eiweiß- und Aminosäurenbedarf

Die Eiweißmindestmenge für die Aufrechterhaltung von Lebensvorgängen beträgt 2,32 g Rohprotein je kg KM. Für erwachsene Tiere (KM und 500g) z. B. errechnen sich daraus 1,16 g je Tier und Tag, bei etwa 80%-iger Futtereiweißausnutzung ergibt das 1,4 g bei entsprechendem Sicherheitszuschlag 3,25 g Rohprotein je Taube und Tag (Rob, 1985). Mit den von Rob geprüften Futtermischungen nehmen Brieftauben je Tier und Tag an Roheiweiß in g auf: Zuchtruhe 3,7, Paarbildung 4,5, Brüten 3,8, Nestlingsstadium 5,6, Jungtierperiode 5, Reisesaison 5,8. Für Tauben stellt Eiweiß (im Gegensatz zum Fett) keine primäre Energiequelle und somit keine Voraussetzung für Flugleistungen dar. Rationen mit hohem Leguminoseanteil schaden hierbei mehr als sie nützen. Futtermischungen sollen nur so viel Protein enthalten, wie der Organismus für den Stoffwechsel und seine besonderen Leistungen benötigt. Überschüssiges Eiweiß dient nur zur allerdings mit Verlust verbundenen Energieerzeugung. Dabei fallen die Abbauprodukte Ammoniak, Harnstoff und Harnsäure an. Diese Prozesse erfordern wegen der geringen Wasserlöslichkeit von harnpflichtigen Stoffen ausgiebig Wasser. Das erklärt den Durst von Tauben nach reichlichen Leguminosengaben. Brieftauben fliegen weniger ausdauernd, wenn sie anstelle von Fett Protein als Flügelschlagtreibstoff im Energiestoffwechsel verbrennen müssen.

1. Aufzuchtkosten in Abhängigkeit von der Rohproteinverwertung einzelner Körnerfuttermischungen

Je kg Futter können Tauben 95,5 g Rohprotein verwerten. Das ergibt je 25 kg 95,5 x 25 = 2,387 kg Körnereiweiß. Wenn 25 kg DM 28,75 kosten, stellt dies den Geldwert für 2,387 kg Rohprotein dar, 1 kg Rohprotein besitzt danach den Geldwert von 28,75 : 2,387 = DM 12,04.

Der Methioningehalt entspricht 64,5 % dadurch können die Tauben nur 0,654 x 14,84 = 9,55 % Rohprotein verwerten. Sie scheiden von dem wertvollen Körnereiweiß 1484 - 955 = 5,29 % = 52,9 g pro kg Futter ungenützt aus. Pro 25 kg Futter sind das 25 x 52,9 = 1,33 kg wertvolles Körnereiweiß.

Bei der Zuchtmischung von Neuendorf für Kurzschnäbler in Verbindung mit 50 % Presskorn M-Z Optima können die Tauben 183 g Rohprotein verwerten. Mit 25 kg dieses Futters 25 x 183 = 4,575 kg Rohprotein. Bei einem Preis von DM 30,- für 25 kg Futter ergibt sich der Geldwert für 1 kg Rohprotein von 30,00 : 4,575 = DM 6,56.

Die Rohproteinverwertung beträgt 0,68 x 14,99 = 10,2 %. Tauben scheiden je kg Futter 14,99 - 10,2 = 4,79 % je 25 kg 25 x 0,0478 = 1,1975 kg Rohprotein aus. Aus 25 kg Futter können Tauben somit 25 x 0,102 kg Rohprotein verwerten. Bei einem Preis von 24,60 DM je 25 kg Futter beträgt der Geldwert von Rohprotein auch DM 24,60, der Wert für 1 kg Rohprotein danach 24,60 : 2,55 = DM 9,65.

Bei der Neuendorf´schen Zucht-Mauser-Mischung in Verbindung mit 50 % Presskorn M-Z Optima verwerten Tauben je 25 kg Futter 4,725 kg Rohprotein. Bei einem 25 kg-Preis von Dm 29,00 ergibt sich der Geldwert für 1 kg verwertbares Rohprotein von 29 : 4,725 = DM 6,14.

2. Fettbedarf

Brief- und sonstige Flugsporttauben gewinnen ihre Flügelschlagenergie beim ausdauernden Fliegen vorwiegend aus Fett. Diese anhand von Untersuchungen im Windkanal gewonnene Erkenntnis gilt es besonders zu berücksichtigen. Am anschaulichsten lässt sich ausdauerndes Fliegen mit den Leistungen von Zehnkämpfern vergleichen. Auf die KM beider bezogen, erbringen Tauben jedoch 18-fach höhere Ergebnisse. Ihre Brustmuskulatur enthält etwa 84 % rote, aber nur 14 % weiße Muskelfasern. Den Energielieferanten Fett können nur die roten Muskelzellen speichern. Im Gegensatz zu diesen deponieren und verbrennen weiße Muskelfasern ausschließlich Glycogen als Energieliefernde Substanz (z. B. beim Starten, Flugbeschleunigung, Landen), aber nie ausschließlich, sondern nur zusätzlich. Fliegende Brieftauben verbrauchen ca. 0,05 bis 0,06 g Fett he Minute. Für einen 9 bis 10 Std. dauernden Flug von 600 km benötigen sie demzufolge 27 bis 36 g Körperfett als "Treibstoff". In den üblichen Reise- und Witweralleinfuttermischungen mit höchstens 3 % Rohfett stehen ihnen aber nur etwa 15 g (die Hälfte) zur Verfügung. Dann muss der Körper die fehlende Energie aus der zusätzliche Stoffwechselleistungen benötigenden Fettsynthese aus Kohlenhydraten gewinnen. Auf Flügen verfügen Brieftauben über folgende Fettreserven:

-Direkt ausnutzbares Fett aus dem Stoffwechsel der letzten Tage vor dem Auflas (2,5 bis 7,5 g).

-Fettanteil in der Brustmuskulatur (5,5 bis 10,5 g).

-Depotfettgehalt in den Körperspeichern (Unterhaut-, Abdominal-, Herzkranzfettgewebe) von 6,5 bis 9,5 g.

Mit insgesamt 14,5 bis 27,5 g bis verfügbarem Fett lässt sich die Bedarfsnorm von 27 bis 36 g für die geforderte Leistung entweder nicht (14,5 g) oder gerade (27,5 g) erfüllen. Dieses Beispiel zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Ernährung von Brieftauben vor und nach Flügen auf und zwingt zu diesen Schlussfolgerungen:

- Reise- und Witweralleinfuttermischungen sollen zweckmäßig 2,5 bis 5 % Rohfett enthalten.

-Vor Mittelstreckenflügen gilt es, den Rohfettanteil in der Ration auf bis zu 5 % zu erhöhen.

-Vor Weitstreckenwettbewerben steigert man diesen Gehalt durch besonders fettreiche Futtermittel (z. B. Sonnenblumen- oder Erdnusssamen) auf 5 bis 10 %.

So ernährte Tiere verlieren selbst auf langen Distanzen und sogar bei widrigen Flugbedingungen höchstens 30 bis 40 g (6 bis 8%) ihrer KM durch die abgebauten Glycogen- und Fettreserven. Nach Rob (1987) beträgt die Rohfettaufnahme je Brieftaube und Tag für die verschiedenen Ernährungsabschnitte in g: Zuchtruhe 1,2, Paarbildung 2, Brüten 1,5, Nestlingsaufzucht 2,9, Jungtierstadium 3, Hauptmauser 3,4.

3. Energiebedarf

Bei der Umwandlung von Nahrung im Körper in Leistungen gibt es beträchtliche Energieverluste. Ohne Energieverbrauchende Stoffwechselprozesse können Tauben ebenso wie alle anderen Organismen nicht leben. Seit langem unterscheidet man im Energieumsatz auch von Tauben zwischen Grund-, Erhaltungs- und Leistungsumsatz.

Grundumsatz stellt den Energieverbrauch des Körpers im wachen Ruhezustand dar. Der Ruhe-Nüchtern-Grundumsatz liegt vor, wenn die letzte Futteraufnahme so weit zurückliegt, dass keine nahrungsbedingte Grundumsatzsteigerung mehr besteht, dann jeder Futterverzehr erhöht durch Verdauungstätigkeit den Energieverbrauch. Den Grundumsatz gibt man meist in kcal/Std. an. Tauben besitzen folgenden Grundumsatz in kcal/Tag: je kg Lebendmasse etwa 50,0, je m² Körperoberfläche etwa 1000. Von der im Dünndarm aufgesaugten Energiemenge der verdauten Nahrungsstoffe werden etwa 45 % als Adenosintriphosphat (ATP) für Stoffwechselprozesse bereitgestellt, etwa 55 % als Wärme zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur freigesetzt. Die als ATP gespeicherte Energie dient den Lebensprozessen (beispielsweise der Herzfunktion und Atmung) und verwandelt sich auch in Wärme.

Erhaltungsumsatz kennzeichnet die Energiemenge des Organismus je Zeiteinheit, um ihn leistungsfähig zu erhalten. Hierzu gehören neben dem Grundumsatz die für Nahrungsaufnahme, Verdauungstätigkeit und Bewegung erforderlichen Energiemengen, die ebenfalls in Wärme übergehen. Die zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur erforderliche Wärme fällt im Zwischen(Intermediär)stoffwechsel an. Bei niedrigen Umgebungstemperaturen müssen im Intermediaärstoffwechsel Nährstoffe zur Wärmeerzeugung zusätzlich "verbrannt" werden, um die Körpertemperatur von Tauben auf etwa 41 °C konstant zu erhalten. Bereits Abweichungen von 1 °C über bzw. unter 41 °C rufen Fieber bzw. Untertemperatur hervor. Körpertemperaturen über 43 °C und unter 35 °C enden tödlich.

Im Intermediärstoffwechsel erzeigte Wärme gelangt über den Blutkreislauf zur äußeren Haut, welche die Körperwärme konstant erhält. Die Haut gesunder Tauben weist eine Temperatur von etwa 38,5 °C auf. Wird diese unterschritten oder überschritten, entstehen beeinträchtigter Stoffwechsel und somit gestörte Lebensfunktionen.

Im gesamten Stoffwechsel besitzt die Muskeltätigkeit eine überragende Bedeutung. Ohne sie wären Herztätigkeit, Atmung, Verdauung, Bewegung und damit die Lebensvorgänge nicht möglich. Die Bei Tauben besonders ausgeprägten Muskeln des Bewegungssystems zeigen im Energieumsatz zwischen Ruhe und Fliegen große Unterschiede. Im Ruhestadium bilden sie nur wenige Energie, beim Fliegen über das 100-fache.

Der unermüdlich tätige Herzmuskel vollbringt Dauerleistungen und bedarf daher ständig zugeführter Energie. Dabei entzieht er dem Blut erheblich mehr Sauerstoff (O2) als jedes andere Organ, im Durchschnitt 12 Vol.-%. Im Ruhezustand durchfließt etwa 0,8 ml Blut/g Herzmuskulatur und Min. das Herz von Tauben. Dabei werden 0,095 ml O2/Min. bzw. 5,7 ml O2/Std. verbraucht. O2 dient zum "Verbrennen" sowohl von Kohlenhydraten und ihren Abbauprodukten (Traubenzucker, Brenztrauben- und Milchsäure) als auch Nichtkohlenhydraten (freie Fettsäuren, Aminosäuren, Ketone).

Leistungsumsatz kennzeichnet die Energieumwandlung über den Erhaltungsbedarf hinaus für die Flugleistungen von Tauben. erhöht sich die Nahrungsaufnahme über den Erhaltungsbedarf, liegt die Energie in Form von aufgesaugten Nährstoffen (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) vor. Sie wandelt sich nur dann in Muskelenergie um, wenn Tauben fliegen. Sonst werden die nicht benötigten Kohlenhydrate und Eiweißstoffe in Fett umgewandelt und in den Depots (Fettspeicher) abgelagert. Überschüssiges Nahrungsfett wird nach Umbau als körpereigenes Fett ebenfalls gespeichert.

Erwachsene Tiere nehmen bei normaler Ernährung auch bei Futterüberangebot nur jeweils benötigte Futter- und damit Nährstoffmengen auf. Ihre Körpermasse hält sich konstant, Energieaufnahme und -abgabe gleichen sich. Eine ungenügende Energiezufuhr dagegen bewirkt sich das Fettgewebe fast vollständig, dann werden auch Skelettmuskulatur sowie Herz und Leber zur Energieumwandlung mit herangezogen, die bis 25 % ihrer Masse verlieren können, ehe durch den starken Energieverlust (wenn über 35 % der Körpermasse von Tauben zur Energiegewinnung verloren gehen) der Tod eintritt.

Für Tauben besitzen die Nährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße als Energieträger besondere Bedeutung, weil sie den Intermediärstoffwechel nicht nur mit Energie, sondern auch mit Baustoffen versorgen. Die Futtermittel enthalten die auch als Brennwert bezeichnete Bruttoenergie in unterschiedlichem Maße.